Ausgangspunkt und Zielsetzung im Zeichen der Begegnung mit dem Anderen
Leiter des IKARON-THEATERs ist der seit den siebziger Jahren in Berlin lebende chilenische Regisseur Carlos Medina. Bis 1990 inszenierte Medina u.a. am Berliner Ensemble, am Deutschen Theater und am Schiller-Theater. Außerhalb Berlins führte er Regie u.a. am Landestheater Tübingen, an Theatern in Jugoslawien, Österreich und Belgien.
Ein thematischer Schwerpunkt der Arbeit des IKARON-THEATERs ist die Frage, wie Menschen sich mit Phänomenen auseinandersetzen, die ihnen zunächst fremd und bedrohlich erscheinen, die das Gefüge ihrer vertrauten Lebenswelt durcheinanderbringen und selbstverständlich gewordenen Gewißheiten ins Wanken bringen. Diese Frage stellt sich in der heutigen Welt unausweichlich. Wie Václav Havel sagt, setzt sich unsere Zivilisation aus einer Vielzahl von Völkern und ethnischen Gruppen mit extrem unterschiedlichen Bräuchen und Traditionen zusammen, aus vielen Kulturen oder Kulturräumen, kleinen wie großen, aus vielen religiösen Welten, und vielen unterschiedlichen Arten politischer Kultur. „Viele gefährliche Konflikte in der heutigen Welt lassen sich durch die simple Tatsache erklären, daß wir unseren Unterschied um so stärker spüren, je näher wir einander sind.“
Und es geht darum, in dieser Konstellation nicht nur das Bedrohliche zu sehen, sondern in ihr die Chance zu erblicken, in der Auseinandersetzung mit dem Fremden die eigene Identität allererst zu erkennen und die Unterschiede durch gegenseitigen Austausch fruchtbar werden zu lassen. Wie jedoch verhalten sich Menschen, wenn die Konfrontation mit dem Anderen nicht nur eine intellektuelle und kulturelle Herausforderung bleibt, sondern auch soziale und materielle Besitzstände tangiert, wenn also individueller Verzicht gefordert wird? Die Verbindung dieser beiden Punkte - Umgang mit fremden und Bedrohung des materiellen Status quo - prägt eine Reihe aktueller öffentlicher Debatten (Asyl, Einwanderung, Staatsbürgerschaft, multikulturelle Gesellschaft); im Zuge des deutschen Einigungsprozesses wurde sie zu einem zentralen Thema auch in der Auseinandersetzung der Deutschen miteinander (West und Ost).